Matthias KORGER

Kosmos als Theophanie II - Philip Sherrard

Vortrag auf der Tagung der Stiftung „Perspektiven“

Neustift bei Brixen, 2001

 

 

Bibliographie der zitierten Werke von Philip Sherrard:

 

The Rape of Man and Nature, 1987 (amerikanische Neuauflage unter dem Titel: The Eclipse of Man and Nature) (=Eclipse)

The Sacred in Life and Art. 1990

Man and Woman – an Evaluation of their relationship in Christian Perspectives, in: Religion of the heart 1991

Human Image – World Image; The Death and Resurrection of Sacred Cosmologie, 1992 (=H.I.)

Christianity and Eros, 1976 (Neuauflage 1995)

Christianity:  Lineaments of a Sacred Tradition, 1998 (=Christianity)

 

voir aussi Zieglers „Lehrer“ René Guénon  –  Die Metaphysik II

 

 Kosmos als Theophanie I: Seyyed Hossein Nasr - Aperçus sur l'ésotérisme

 

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                                                     Im vergangenen Jahr habe ich versucht, Ihnen einige Strukturen traditionaler Kosmologie vor allem anhanden des Werkes von Seyyed Hossein Nasr darzulegen, der seiner eigenen Aussage nach der Denkrichtung des integralen Traditionalismus und der philosophia perennis angehört.

Philip Sherrard, dessen Werk Ausgangspunkt unserer diesjährigen Denkversuche ist, ist ein Geistesverwandter – Nasr schreibt über ihn: „...Sherrard versuchte, eine christliche Sicht der Ordnung der Natur zu geben, deren Annahme allein, wie er meint, die Katastrophe abwenden kann, die die Umweltkrise mit sich bringen wird.“[1]

Nasr und Sherrard sind die einzigen Traditionalisten, die sich mit diesem Thema ausführlich befaßt haben. Sie sehen es konsequenterweise als eine Frage der Kosmologie als angewandter Metaphysik.

Sherrards Biographie zeigt, daß er die Umsetzung seiner Ideen ins Leben immer mit großer Konsequenz betrieb.

 

Philip Sherrard wurde am 23. September 1922 in Oxford geboren. Sein Vater war Landwirtschaftsökonom, seine Mutter mit Virginia Woolf befreundet und Mitglied eines Kreises, der sich „die Neuheiden“ nannte.

Sherrard wurde nicht getauft und wuchs vor allem auf dem Land auf. Er sprach von seiner Kindheit innerhalb einer noch weitgehend nicht mechanisierten Landwirtschaft immer mit Begeisterung und Nostalgie.

Ab 1940 studierte er in Cambridge und rückte 1942 zum Militär ein. Er wurde nach Griechenland geschickt, das zu seiner spirituellen, später auch zu seiner geographischen Wahlheimat wurde. Atypischerweise interessierte er sich zunächst in erster Linie für neugriechische Lyrik des 18. – 20. Jahrhundert, von der er einige Übersetzungen veröffentlichte.

Er heiratete eine Griechin und wurde Vater zweier Töchter, die Ehe wurde aber bald geschieden.

Die wichtigste Begegnung war die mit der orthodoxen Kirche: er ließ sich 1956 – also als 34jähriger – taufen und wurde in die Orthodoxie aufgenommen.

Entscheidend für ihn war, seiner eigenen Angabe nach, daß er den christlichen Glauben hier in seiner wahren und vollständigen Form vorfand, aber auch, daß er meinte, einer Kirche beizutreten, die eine organische und lebensspendende Verbindung zwischen Mensch und Natur bewahrt hatte.

Sherrard übte verschiedene akademische Tätigkeiten in Griechenland und England aus. Er war Assistant Director der British School of Athens und 1970 – 1977 Lecturer für die Geschichte der Orthodoxie an der Universität London.

1959 konnte er zu sehr günstigem Preis auf Euböa einige halbverfallene Häuser und Land erwerben. 1977 kündigte er seine Tätigkeit an der Universität London und ließ sich dauernd in Katounia als freiberuflicher Übersetzer und Schriftsteller nieder – mit seiner zweiten Frau, einer Engländerin und gleichfalls Konvertitin zur Orthodoxie. Sie ist Verlegerin, die ihren Verlag aus Athen nach Katounia übersiedelte.

Philip und Denise Sherrard lebten auf ihrer Insel in geradezu monastischer Einfachheit: ohne Telefon und Elektrizität – geheizt wurde mit Holz. Sie bauten – zum größten Teil  eigenhändig – auf  ihrem Grundstück eine Kapelle.

Sherrard starb ziemlich plötzlich an Krebs am 30. Mai 1995 und wurde auf seinem Grundstück neben der Kapelle begraben.

 

Sein umfangreiches Werk – nicht ins Deutsche übersetzt und nicht leicht erhältlich – behandelt Themen der orthodoxen Theologie, im Besonderen den Vergleich zwischen den westlichen und östlichen Traditionen innerhalb des Christentums, der griechischen Geschichte und Literatur, den integralen Traditionalismus und die philosophia perennis, die gegenwärtige ökologische Krise und die Ausarbeitung einer genuin christlichen Kosmologie, vor allem gestützt auf griechische Kirchenväter, und – in engstem Zusammenhang damit – das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und die Rolle des Eros im Christentum.

Sherrards Beziehung zum integralen Traditionalismus war differenziert: er war nie Schüler Guénons oder Schuons.

Er meinte, daß besonders in der Neuzeit die Dichtung stärker den Bezug zum Heiligen und die Sakralität des Kosmos ausdrückt als Philosophie oder Theologie. Hier stimmt Sherrard – sicher ohne die Autoren zu kennen – mit Heidegger und Vonessen überein.

Sherrard teilte mit den Traditionalisten die Sicht der inneren Einheit der Religionen (Schuon) und gleichzeitig die der unabdingbaren Notwendigkeit der Praxis einer konkreten Tradition: Allerdings ging sein Attachement an die Orthodoxie noch weit darüber hinaus. Seine exoterische Ausrichtung stimmte voll mit der esoterischen überein: Er vertrat in allen strittigen Punkten zwischen der Orthodoxie und der westlichen Kirche überzeugt die östliche Position.

Eine enge Freundschaft verband ihn mit einem anderen englischen Konvertiten, dem orthodoxen Bischof Kallistos Ware, mit dem gemeinsam er die „Philokalia“ ins Englische übersetzte. Bischof Ware schrieb das Vorwort zu einer posthum erschienenen Sammlung von Aufsätzen Sherrards: „Christianity: Lineaments of a Sacred Tradition“.

Es ist bemerkenswert, daß Ware die zum Teil sehr kühnen, gnostischen Formulierungen Sherrards durchwegs guthieß und es sehr begrüßte, daß Sherrards Buch „Christianity and Eros“ in Neuauflage erschien.

 

Sherrard sah konsequenterweise in der Aristotelisierung der Theologie der lateinischen Kirche, die im 13. Jahrhundert erfolgte, also nach der Trennung von der byzantinischen Kirche, den Beginn einer neuen Epoche innerhalb der christlichen Welt.

Damals wurden die platonischen Elemente, die Philosophie und Theologie früherer Jahrhunderte zum Ausdruck eines Selbstverständnisses gedient hatten, das in Gebet und Kontemplation bestätigt worden war, ersetzt durch aristotelische Kategorien ausschließlich abstrakter und theoretischer Natur.

Der Dualismus Natur – Übernatur und das Postulat einer rein natürlichen Erkenntnis bei Thomas von Aquin sind Vorläufer des cartesianischen Dualismus und der Denkweise der neuzeitlichen Naturwissenschaft.

Das heißt, Sherrard sieht in eben jenem Thomismus, den Papst Leo XIII. später für die lateinische Kirche verbindlich vorschrieb, und der auch, in immer verdünnterer Form, bis zum zweiten Vatikanischen Konzil als philosophische Grundlage des Theologiestudiums gelehrt wurde, die Denkweise, die am Verlust der sakralen Kosmologie, an der rein rationalistischen Betrachtung des Menschen selbst und des Kosmos einen wesentlichen Anteil hat.

Wie wohl die lateinische Patristik, von Augustinus bis ins zwölfte Jahrhundert, eine ähnliche platonische Sicht der göttlichen Immanenz im Geschöpf, der Teilhabe an der transzendenten Realität der Archetypen hatte – ist doch von Anfang an ein charakteristischer Unterschied: Schon bei Augustinus ist „...eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem Spirituellen und dem Materiellen, dem Ungeschaffenen und dem Geschaffenen.“[2]

Sherrards Darlegung einer ursprünglich christlichen sakralen Kosmologie stützt sich vor allem auf Justinus den Märtyrer, Origenes, Clemens Alexandrinus, Gregor von Nyssa, Dionysius Areopagita und Maximus Confessor – im Abendland sind seine Zeugen Johannes Scotus Eriugena, Meister Eckhart und Ruysbroek.

Im historischen Umfeld der frühen Kirche gab es teilweise Kosmolatrie, d.h. Vergöttlichung bzw. Vergötzung der natürlichen und menschlichen Ordnungen, was die apostolische Kirche zur Abgrenzung gegenüber allen Vorstellungen, Gott in den Elementen, im Wasser, in der Quelle, in Steinen oder Bäumen zu suchen, führte.

Der Weg zur christlichen Kosmologie, zeigt Sherrard, liegt im vollen Erfassen der Implikationen der zentralen christlichen Idee des Gottmenschentums vor dem Hintergrund von Platons Verständnis über die Teilhabe des Bildes am Archetyp (natürlich nicht im Sinne Jungs verstanden).

„Das Abbild reflektiert nicht einfach den Archetyp auf einer niedrigeren Ebene – es nimmt tatsächlich an der Realität des Archetyps teil.“[3]

Das „Corpus Hermeticum“ enthält neben Teilen, die einen kompletten Dualismus ausdrücken, auch solche, die die Teilhabe der sinnlichen Welt an der göttlichen noch stärker betonen als etwa Platons „Timaios“.

In einer von Sherrard zitierten Passage ist im Corpus Hermeticum (CH) die Kraft der erotischen Energien ausgesprochen, die als Ausdruck der göttlichen Energie gesehen werden: „Die Verbindung der beiden Geschlechter oder ihre Vereinigung in eins, die mit Recht Eros oder Aphrodite oder beides auf einmal genannt wird, hat eine tiefere Bedeutung als der Mensch verstehen kann. Es ist eine Wahrheit, die als sicher und offensichtlich über alle anderen Wahrheiten akzeptiert werden muß, daß von Gott, dem Meister aller Zeugungskraft, dieses Sakrament der Fortpflanzung für alle Geschöpfe entworfen und allen Geschöpfen geschenkt worden ist – mit aller Zuneigung, Freude, Sehnsucht und himmlischer Liebe, die in seinem Sein enthalten ist. Und ich müßte von der Gewalt berichten, mit der dieses Sakrament  Mann und Frau zusammen bindet, könnte es nicht jeder von uns, wenn er seine Gedanken auf sich selbst richtet, aus seinem innersten Fühlen lernen.“[4]

Diesem Thema der spirituellen Kraft von Eros und Sexualität, das im Christentum von Anfang an (auch in der ostkirchlichen Tradition) zu kurz gekommen ist, hat Sherrard ein eigenes Buch gewidmet.

Dem Problem der christlichen Apologetik, wie der der Schöpfung absolut transzendente Gott auch in ihr präsent sein kann – entspricht in platonischer Terminologie die Erklärung der Beziehung zwischen Sein und Werden, die nicht zur Ausschließung des Seins aus der Welt des Werdens führt.

Gott schafft die Welt in und durch seinen Logos. Christus, der inkarnierte Logos hat die Rolle des kosmischen Vermittlers: Er vermittelt zwischen dem immateriellen, transzendenten Sein Gottes und der Welt materieller Wirklichkeiten – der Welt der Natur – und in seiner göttlich-menschlichen Person vereinigt er beide: „In gewisser Hinsicht ist die Rolle Christi der Rolle der Weltseele im platonischen Denken ähnlich.“[5]

Der Logos ist der erste Ausdruck der Möglichkeiten, die in den Tiefen von Gottes Sein liegen  und enthält in sich „...in unsichtbarer Weise ... die Archetypen aller geschaffenen Existenzen.“[6]

„Die inneren Beziehungen zwischen Göttlichkeit und Menschlichkeit in Christus sind also dieselben wie die zwischen Gott und der Welt... Das christologische Problem – welches auch das anthropologische Problem ist, ist verflochten mit und untrennbar vom trinitarischen Problem und, wenn wir sie auseinanderreißen, enden wir „...bei der Art systematisch – analytischen Sicht des Christentums, die die mittelalterliche Scholastik charakterisiert oder bei der Art von desinkarnierter Kosmologie, die die Sicht der Natur von Gregorios Palamas kennzeichnet, die die deprimierende Vorstellung wiederholt, alle nicht menschlichen Phänomene seien seelenlos oder irrational.“[7]

Wenn man es verabsäumt, die Schöpfung mit der Inkarnation in Zusammenhang zu bringen und beide mit der Trinität zu verbinden, bedeutet dies, „...das Mysterium der Schöpfung in seinem Herzen zu verstümmeln und das heißt gleichzeitig, das Mysterium unseres eigenen Lebens in seinem Herzen zu verstümmeln.“[8] Wir sind in das Zentrum der Betrachtungen Sherrards gekommen.

 

Er nennt die christliche Sicht auf die untrennbare Verbundenheit der Mysterien, wie sie von den genannten griechischen und syrischen Kirchenvätern entwickelt wurde, „theoanthropokosmische Vision.“

Wo diese Sicht verblaßt, hat es Schizophrenie in Anthropologie und Kosmologie zur Folge, die Sherrard nicht nur in der Scholastik und dem auf sie folgenden neuzeitlichen Rationalismus und Irrationalismus sieht, sondern auch im späteren byzantinischen Denken.

Der Verlust dieser theoanthropokosmischen Vision wird offensichtlich im Verlust der kosmischen Bedeutung der Inkarnation. Denn diese Bedeutung hat zur Voraussetzung „...daß der Logos die Erscheinung und Materialisierung im Kosmos als Ganzem in Mensch und Natur immer schon weiß und fortfährt zu wissen – unabhängig von der historischen und individuellen Erscheinung des Gottessohnes in Jesus von Nazareth –... Das historische Erscheinen Christi ist nur eine Form der Verkörperung, das Universum der Materie ist eine andere Form und in dieser Form zeigt der kosmische Christus von Anfang an und immer Bilder Gottes in der Natur, denn die Natur ist der Leib Gottes.

Die Lehre vom Gottmenschen ... bezieht sich daher nicht einfach auf die historische Inkarnation des Gottmenschen selbst, sie bezieht sich auch und gleichermaßen auf die theandrische Vereinigung zwischen Gott und der ganzen geschaffenen Welt, durch den Menschen und im Menschen.

Das kosmogonische Problem ist verbunden mit dem Problem der Zeugung des Logos –Schöpfung,  ist eine einzige Handlung, die von Seiten Gottes, um es so auszudrücken, zur Gänze oberhalb der Zeit ist, denn sie gehört zur ewigen Handlung der Zeugung des Logos – einige der Wirkungen dieser ewigen Handlung der Zeugung werden offenkundig in zeitlicher und räumlicher Form und diese Wirkungen stellen dann das dar, was wir Schöpfung nennen. Diese  zwei Aspekte einer göttlichen Handlung – der zeugende und der kosmogonische sind deutlich unterschieden, da der zweite vom ersten abhängig ist und nicht vice versa – aber sie sind auch verbunden und untrennbar.“[9]

Der letzte Satz widerlegt den Pantheismus-Vorwurf, der seit Jahrhunderten jede gnostische Betrachtung der Beziehung Schöpfer – Geschöpf verketzert.

Das Wissen von dieser kosmischen Bedeutung der Inkarnation entschwand, sie wurde bald ausschließlich mit der historischen Erscheinung des Gottessohnes in Bethlehem identifiziert und dabei ist es, was die Kirchenlehre betrifft, auch geblieben.

Die Kosmologie wurde getrennt von der Trinitätslehre und Christologie gesehen, was dazu führen mußte, Gott als vom Menschen und der Welt unüberbrückbar geschieden zu sehen – der Dualismus durchzieht das Christentum auf allen Ebenen.

Im 15.- 16. Jahrhundert spitzt es sich auf eine Position des Entweder – Oder zu: Gott oder die Welt.

Der Protestantismus kommt in einer Radikalisierung augustinischer Ansätze zum Akosmismus, im Katholizismus gibt es Strömungen von asketischem Anti-Kosmismus, dem der sakrale Sinn der Schönheit verschlossen ist.

Andererseits bot dieses von christlicher Philosophie und Theologie geförderte kosmologische Vakuum die Gelegenheit für das Aufkommen nicht-christlicher und schließlich ganz profaner Sichtweisen, die zum Sieg der neuzeitlichen Naturwissenschaften unter dem Aspekt einer immer mehr die Weltherrschaft antretenden Technik führte.

Auch diesbezüglich ist Sherrards Position, verglichen mit der anderer Traditionalisten, die extremste: er besteht darauf, daß der Gegensatz zwischen der christlichen (und jeder religiösen) Sicht der Ordnung der Natur und dem naturwissenschaftlichen Verständnis dieser Ordnung unüberbrückbar ist, weil „...die metaphysischen Voraussetzungen, auf denen diese Weltsicht aufgebaut ist,...gänzlich unspirituell sind“[10]

Das bedeutet, daß„...eine Neubelebung eines spirituellen Verständnisses der körperlichen Welt nur unter der Bedingung kommen kann, daß diese Voraussetzungen  verworfen und durch jene ersetzt werden, die den Kosmologien der großen sakralen Religionen eigen sind.“[11]

Neben den zwei Wegen eines christlichen Akosmismus und Antikosmismus und einer desakralisierten Naturwissenschaft, die zur technischen Beherrschung der Natur führt, blieb immer, was Sherrard die „...andere Denkweise Europas“[12] nennt – die das Wissen bewahrte, daß die sichtbaren Phänomene göttliche Erscheinungen oder Signaturen spiritueller Realität sind. Die Alchemie ist Ausdruck einer dieser Strömungen.

Sherrard hat viel Verständnis für die Reaktion in der Renaissance gegen die immer defizienter gewordene scholastische Kosmologie: nicht nur für den christlichen Platonisten Marsilio Ficino sondern selbst für Georgios Gemisthos Plethon, der eine Art synkretistischer Neufassung des Polytheismus der altgriechischen Religion auf platonischer Grundlage als Alternative zum Christentum entwirft – in dieser Hinsicht Vorläufer Hölderlins, Goethes, Heideggers, Walter F. Ottos und – mit charakteristischen Unterschieden – auch Evolas.

Diese Linie der Bewahrung des kosmischen Wissens, die auf die Antike ausgerichtet war und sich mehr oder weniger deutlich vom Christentum abwendete, wird ergänzt durch eine mehr durch christlichen Platonismus, oft auch christliche Kabbala, gekennzeichnete Linie – in der man Paracelsus, Robert Fludd, die Cambridge Platoniker, Jakob Böhme, Swedenborg, Baader, Novalis und William Blake sehen könnte.

Ihnen allen ist gemeinsam eine mehr oder weniger große Entfernung vom institutionalisierten Christentum und von der Schulphilosophie.

Der Dualismus wird für die christliche Philosophie und Theologie selbstverständlich: „Gott und die Schöpfung – und entsprechend die Ordnung der Erlösung und die Ordnung der Natur – werden als unreduzierbar verschieden angesehen.“[13]

In der Sicht dieses Dualismus schafft Gott die Welt gleichsam als etwas außerhalb seiner selbst. Damit wird auch die Begegnung zwischen Gott und Mensch eine Begegnung zwischen menschlichem Individuum und einem gänzlich unzugänglichen transzendenten Gott (paradigmatisch etwa in der dialektischen Theologie Karl Barths). Dies führt wieder zu einer Entweder – Oder – Position: entweder werden die Dinge gesehen ohne Wahrnehmung ihrer transzendenten Dimension oder die Transzendenz wird von den Dingen getrennt, durch die allein sie manifestiert wird.

„Wir trennen Religion von Ästhetik, wir trennen die Erfahrung des Göttlichen von der Erfahrung der ursprünglichen und ewigen Schönheit sinnlich wahrnehmbarer Gegenstände.“[14]

Deutliches Indiz dafür ist das Zunehmen des Monströsen, Monumental-Kalten und ebenso des Sentimental- Kitschigen in der abendländischen Kunst seit der Renaissance.

Sherrard meint, daß die Lehre von der Schöpfung auf der Einsicht begründet werden muß, daß „..Gott nicht nur der Schöpfer der Welt ist, sondern daß er in gewisser Hinsicht auch das ist, was er schafft.“[15]

Die Vorstellung der Schöpfung als eines zweitrangigen Seienden, das von Gott getrennt existiert, muss als falsche Lehre verworfen werden.

Gestützt auf biblische Aussagen wie Apg. 17.28: „Denn in ihm leben wir und bewegen uns und sind wir ... wir sind selbst seines Geschlechts,“ oder Röm.11,38: „Denn von ihm und durch ihn und in ihm ist alles“ und in Übereinstimmung mit den oben angeführten Kirchenvätern postuliert Sherrard:

„Die Schöpfung findet innerhalb Gottes statt, nicht außerhalb Gottes...“[16]

In dieser Idee von Gott, der das Universum innerhalb seiner selbst schafft, ist keine Trennung zwischen Gott und Geschöpf, die zu einer unüberbrückbaren Kluft führen könnte.

„Die Schöpfung ist nichts weniger als das Erscheinen von Gottes verborgenem Sein – die andere Welt ist diese Welt – diese Welt ist die andere Welt. Wenn das Reich Gottes auf die Erde kommen kann, dann deswegen, weil im Wesen die Erde das Reich Gottes ist.“[17]

Daraus folgt aber auch, daß das Schicksal des Geschöpfes Mensch von dem des Geschöpfes Natur nicht zu trennen ist: „Innere Welten sind äußere Welten, äußere Welten sind innere Welten.“[18]

Bei der Realität dieser göttlichen Gegenwart in jeder körperlichen Form müsste die einzige Wissenschaft von der Natur, die laut Sherrard diesen Namen verdiente, ansetzen: „Sie vermittelt das Wissen, warum das Öffnen einer Blüte eine Form der göttlichen Auferstehung ist.“[19]

In dieser Perspektive ist die sinnlich wahrnehmbare Welt das Bild, die Ikone der himmlischen Welt, in der jedes einzelne seine Bedeutung hat im Licht des Ganzen: „Aus diesem Zusammenhang etwas zu abstrahieren und es so zu behandeln, als existiere es unabhängig von seinem Zusammenhang, bedeutet es in seinen Wurzeln zu ermorden, wenn nicht in Taten so in Gedanken.“[20] Eben das geschieht in den modernen Naturwissenschaften und auch in der vorhergegangenen christlichen Sicht der Natur, die auf einem Dualismus aufbaut, der Gott von seiner Schöpfung trennt, die als verschiedene Ordnung der Realität betrachtet wird.

Zwei der Haupthindernisse, diese dualistische Sicht der wesentlichsten Probleme innerhalb des christlichen Denkens zu überwinden, sind die Vorstellung von der Gefahr des Pantheismus und die aus ihr entstandene Position von der creatio ex nihilo.

Sherrard geht davon aus, daß die dualistische Kosmologie eine fast pathologische Angst vor dem widerspiegelt, was die Theologie Idolatrie oder Pantheismus nennt – die Leugnung jeder Verbindung zwischen Gott und seiner Schöpfung soll davor retten.

Wenn die Idee, daß Gott die Welt innerhalb seiner selbst schafft, radikal ausgeschlossen ist, muß er die Welt außerhalb seiner selbst schaffen. Aber das gibt Probleme: Wenn man annimmt, daß Gott die Welt aus einem Seienden außerhalb seiner schafft, würde das bedeuten, daß es seit aller Ewigkeit eine von Gott unterschiedene und unabhängige Substanz gibt – das hieße aber, daß Gott nicht unendlich ist – eine noch schlimmere Häresie als der Pantheismus.

Aus diesem Dilemma entstand die Konzeption der creatio ex nihilo, die einen Ausweg zu bieten scheint: Sie wehrt den Pantheismus ab: wenn Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, ist jede Vorstellung einer übernatürlichen Verwandtschaft zwischen Gott und der Welt ausgeschlossen. Gleichzeitig kann man auch dem radikalen Dualismus entkommen: denn so meint man, dieses Nichts besitzt keine substantielle Existenz und kann daher nicht als von Gott unabhängige Realität angesprochen werden, die Gottes Unendlichkeit begrenzte.

Die Herrschaft, die die Vorstellung der creatio ex nihilo über das christliche Bewußtsein (nicht nur der westlichen, auch der östlichen Christenheit, wie Sherrard zugeben muß.) ergriffen hat, hat die Theorie der doppelten Ordnung der Wahrheit und damit die Desakralisierung der geschaffenen Welt ermöglicht. „Aus diesem Gesichtspunkt kann konsequenterweise kategorisch  versichert werden, daß die Vorstellung der creatio ex nihilo an der Wurzel unserer ökologischen Krise liegt.“[21]

Aus der Tatsache, daß diese Theorie von den Autoritäten der Kirche ohne Einwand akzeptiert wurde, folgt „...eine direkte Verantwortung für die Entsakralisierung des Kosmos. Es ist absolut kein Zufall, daß eine rein materialistische Sicht der Natur nicht zuerst innerhalb der hinduistischen, buddhistischen oder islamischen Welt entstand, sondern innerhalb der christlichen.“[22]

Es ist auch weiters kein Zufall, daß die offiziellen Stellungnahmen der Kirchen – aller Kirchen – gegenüber der ökologischen Krise, nach Sherrards Aussage, „kläglich“ waren.

 

Nun zum philosophischen Gehalt der creatio ex nihilo: Wenn Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, bedeutet dies, daß vor der Schöpfung absolut nichts existiert hat? Ist die Antwort affirmativ in dem Sinne, daß Nichts existiert hat, dann wird dieses Nichts hypostasiert und zu einer Art von Etwas und der Grund der Schöpfung liegt in einem Dualismus zwischen Gott und Nicht-Gott – also einem radikalen Dualismus, wie dem, der vermieden werden sollte.

Sagt man aber andererseits, daß dieses Nichts nicht vor der Schöpfung existiert hat, so führt dies in eine völlige Absurdität: Wie kann man eine Beziehung knüpfen, bevor so etwas wie Beziehung überhaupt vorhanden ist?

Weiters drückt der Ausdruck „vor“ in der Formulierung „vor der Schöpfung“ grob falsches Denken aus: Er setzt eine zeitliche Dimension voraus. Aber Zeit gibt es ausschließlich in der geschaffenen Welt und aus ihrer Perspektive – bei Gott gibt es nur die Ewigkeit.

Der Ausdruck „nihil“ im Sinne dieser Interpretation entspricht keiner Realität, sondern er ist ein hypothetisches menschliches Gedankenkonstrukt.

Dieses Gedankenkonstrukt war aber folgenschwer: Weder kann Gott innerlich präsent sein in dem, was außerhalb seiner selbst ist, noch kann das, was außerhalb Gottes ist, an Gott teilhaben.

Eine solche Gegenwart und Teilhabe kann vielmehr nur dadurch erfolgen, daß durch eine sakramentale Handlung, in der durch den Menschen, der – auf Grund des christologischen Dogmas – die einzige Verbindung zwischen Gott und Natur darstellt, das, was zur Welt der Natur gehört, aus seinem natürlichen Zustand gehoben und durch das Eingreifen der Gnade verwandelt wird.

Diese Sicht, in der die Natur von Menschen abhängig ist, um aus ihrem gottlosen, ungeheiligten Zustand gerettet zu werden,  mußte aus dem Menschen den Ausbeuter der Natur machen und noch dazu einen Ausbeuter mit gutem Gewissen, da ja sein Eingreifen in die Natur die einzige Möglichkeit ist, ihren gottlosen Zustand zu transzendieren.

Aber diese Kosmologie ist nicht die einzige, die die christliche Tradition zu bieten hat, sondern, nach Sherrard, ein fundamentales folgenschweres Mißverständnis.

Der bedeutende griechische Kirchenlehrer und Heilige Gregor von Nyssa, Dionysius Areopagita, der noch von Thomas von Aquin meist zitierte Kirchenvater und Johannes Scotus Eriugena interpretierten die „creatio ex nihilo“ anders.

In dieser Interpretation bezeichnet der Begriff „nihil“ weder einen hypostasierten Nicht-Gott noch eine gänzlich negative Kategorie: Er bezeichnet vielmehr „die Abwesenheit von Raum, Zeit und Materie oder alles Ausgedehnten in Raum und Zeit – die Abwesenheit alles, um es so zu sagen, das ein Ding genannt werden kann. Er bezeichnet ein Reich der göttlichen Innerlichkeit, in welchem kein Ding ist... In so weit wir es ausdrücken können, „...der unermessliche, vom Verständnis nicht auslotbare Grund von Gottes ungeschaffenen Energien und Möglichkeiten, das vorontologische Nichts, aus dem alle Dinge hervorgehen...nicht etwas, das außerhalb ... sondern etwas, das innerhalb Gottes ist.“[23]

Als Anhänger des integralen Traditionalismus erkennt man hier sofort das Non–Être, das Nicht-Sein Guénons und des Vedanta wieder.

Gregor von Nyssa identifiziert das Nihil, aus dem die Welt geschaffen wird, mit Gott selbst in seinem überexistentiellen Sein.

Jacob Boehme sah es so: „Gott schafft die Welt aus Nichts, weil er selbst im Nichts wohnt – das heißt, er wohnt in ihm selbst.“[24]

Die Kosmologie auf Grund dieser Interpretation des „nihil“ sieht ganz anders aus: Schöpfung aus dem Nichts bedeutet Schöpfung aus dem Grund der Gottheit. Es ist sinnlos, von dem zu sprechen, was vor der Schöpfung gewesen wäre und gleicherweise sinnlos, von einem Anfang der Welt in der Zeit oder einem zeitlichen Anfang zu sprechen. Die Zeit hat keine Existenz unabhängig von der Existenz der Welt.

„Die Welt hat einen Anfang, aber in einem ganz unzeitlichen Sinn: Ihr Anfang oder Ursprung liegt in Gottes transzendentaler kreativer Kraft.“[25]

Gott schafft die Welt nicht außerhalb, sondern innerhalb seiner selbst. Der ursprünglichste  Akt der Schöpfung ist die Differenzierung der Formen aller Dinge aus dem undifferenzierten, nicht erkennbaren Grund der Gottheit – dem nihil.

„Die Schöpfung ist Theophanie, Differenzierung durch anwachsendes Aufleuchten von innen. Es ist ein Prozeß durch den Gott sich selbst für sich selbst offenbart. Es ist ein Akt der Selbstoffenbarung, durch die Gott nicht nur sich selbst in den geschaffenen Dingen kennt, sondern erkannt wird von ihnen ... unsere Kenntnis von Gott ist auch Gottes Kenntnis von sich selbst, oder in und durch uns wird sich Gott seiner selbst bewußt.“[26]

Natur – die geschaffene Welt – ist eine Art von Offenbarung Gottes zum Menschen, die ihm das Mysterium der Einheit in der Vielheit der Dinge mitteilt. „Die Welt der Phänomene ist die theophane Welt. Diese Welt ist jene Welt. Die ganze Natur, von Anfang bis Ende, stellt eine einzige Ikone Gottes dar. ...Gott ist aktiv in der Natur und die Natur in Gott von Ewigkeit durch alle Zeit hindurch in Ewigkeit. Der Kosmos ist das andere Selbst des Absoluten.“[27]

Bedeutet dies etwa doch, daß wir in eine Form der Idolatrie und des Pantheismus geraten sind? Zunächst ist Pantheismus nicht gleich Idolatrie. Die Anbetung Gottes in der und durch die Natur ist weit entfernt von Idolatrie. „Wenn ich Gott in Form einer Blume anbete,.. begehe ich keinen Akt der Idolatrie, solange ich mich erinnere, daß Gott, wenn er eine Blume ist... er auch keine Blume ist.“[28]

Paradoxerweise sind diejenigen, die den Pantheismus verwerfen, in größerer Gefahr als Götzenanbeter zu enden als erklärte Pantheisten im definierten Sinn.

Wenn ich verstehe, daß nicht die Natur Gott, sondern Gott die Natur ist, ist keine Gefahr, die Natur mehr zu verehren als Gott. Diese Gefahr besteht hingegen sehr wohl, wenn ich das nicht verstehe, denn dann kann ich Natur oder Schöpfung gegen Gott aufstellen, als etwas anderes als Gott und kann sie unabhängig von Gott oder anstelle Gottes verehren.

„Die Unterscheidung zwischen beiden Begriffen bleibt bestehen: der Schöpfer ist das, was er schafft, aber die Schöpfung ist nicht der Schöpfer.“[29]

Die Tatsache, daß Gott in allen Dingen gegenwärtig ist infolge ihres Geschaffenseins und daß es daher nicht wie bei der negativistischen Interpretation des nihil einer speziellen menschlichen Aktivität bedarf, um ihnen die göttliche Gnade mitzuteilen, heißt nicht, daß der Mensch keine priesterliche Rolle als Mittler zwischen Gott und Schöpfung hat.

Sakramentale Aktivität kann oft nötig sein, um die göttliche Gegenwart von einem latenten in einen aktualisierten Zustand zu bringen.

Prototyp einer solchen sakramentalen Aktivität stellt die Eucharistie dar. In ihr wird offenbar, daß auch die Schöpfung eine vermittelnde Rolle zwischen Gott und den Menschen hat; denn es ist mittels der geschaffenen Elemente von Wein und Brot, daß der Mensch mit Gott in der Eucharistiefeier kommuniziert. Sherrard betrachtet die Schöpfung als Ausdehnung des göttlichen Lebens. Gott ist der höchste Liebende und kann nicht nicht lieben. Gott macht sich für sich selbst sichtbar und gleichzeitig macht er sich sichtbar für uns. Die Schöpfung geht – aus menschlicher Sicht – in drei Etappen vor sich. Erstens offenbart Gott sich für sich selbst, indem er sich die verborgenen Möglichkeiten seines eigenen Seins bewußt macht. Zweitens wird dieser formlose Inhalt der göttlichen Intelligenz oder des göttlichen Logos – immer noch in immateriellem Zustand – in individuelle Formen differenziert. Dies sind die ungeschaffenen spirituellen Energien, göttlichen Ideen oder Logoi (Maximus Confessor). Sie sind die Bild-Archetypen, die zwischen der Welt reiner formloser und intelligibler Realitäten und der sichtbaren Welt vermitteln. Drittens geschieht  das Erscheinen dieser Bildarchetypen in den konkreten Seienden dieser Welt. Jedes Existierende ist die sichtbare Form eines göttlichen Namens.

Der Heilige Geist wandelt den abstrakten Intelligenz–Inhalt des Logos in eine Welt, die vibriert mit den Leben Gottes. Durch das „fiat“ in Gott, in seiner Ausführung durch den Heiligen Geist, wird das Leben der Wahrheit der himmlischen Bild-Archetypen teilhaftig. Durch diese wird diese Welt selbst eine göttliche Erscheinung.

„So wie diese Bild-Archetypen der persönlich seiende Gott sind – eingewurzelt im persönlich dreieinigen Gott – so ist die geschaffene Welt auch der persönlich lebendige Gott, eingewurzelt in derselben Gottheit.“[30]

Der Logos ist nicht nur im historischen Jesus inkarniert, sondern auch im Kosmos.

Der Logos wird Fleisch (), aber dieses ist nicht nur das Fleisch des menschlichen Leibes, sondern das jeder Materie.

Maximus Confessor zitierend, erklärt Sherrard: „So wie die ganze Schöpfung ontologisch in der Welt der Bildarchetypen begründet und deren Erscheinung ist, so ist die gesamte Schöpfung der Leib Christi, die Inkarnation des Logos.“[31]

So sind die Inkarnation, Trinität und Schöpfung verbunden und die Natur wird gesehen im Licht des christlichen Verständnisses der Realität.

Die lebendigen Bildarchetypen sind Selbstausdruck des göttlichen Logos: „...die geboren werden durch die Vermittlung des Heiligen Geistes. Durch dieses Handeln erhält Gott seine Herrschaft und wird - eigentlich gesprochen – Gott.“[32]

Diese Geburt der Bildarchetypen in Gott ist eine Handlung der inneren Hierarchisierung,  und das Mittel, wodurch diese Geburt sich ereignet, ist das weibliche Prinzip im Göttlichen – das Gefäß, in welchem die Bildarchetypen Gestalt und Leib erhalten, obwohl immer noch in einem immateriellen Zustand. Dieses Weibliche im Göttlichen „...enthüllt in der Durchsichtigkeit und Schönheit der lebendigen Formen das Sein, durch welches es selbst enthüllt wird. In dieser Weise stellt es die Beziehung her, auf Grund derer Gott Gott wird. In dieser Weise gebiert es Gott.“[33] Und dies ist, nach Sherrard, das Geheimnis des Namens Gottesmutter (Theotokos), der der Jungfrau Maria gegeben ist.

Die Theotokos, identifiziert mit der jungfräulichen Mutter ist die ewige Sophia (Sophia aeterna) und die universelle Natur (natura naturans), „...in welcher alle Formen der Seienden blühen...von dem höchsten Erzengel bis zu den elementarsten materiellen Organismen.“[34]

Auf der höchsten Ebene ist das weibliche Prinzip das nihil oder das Nicht-Sein selbst. Es enthält in sich die Welt der Bildarchetypen, die sichtbaren und die unsichtbaren Aspekte der Dinge. Gott gibt das Sein, während das weibliche Prinzip Gestalt und Leib gibt und über dem Prozess der Schöpfung residiert.

Sie schafft nicht direkt, aber vermittelt zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen.

Durch das theandrische Mysterium wird die sakramentale Realität der geschaffenen Welt vollendet und das Wesen, durch welches diese Vollendung stattfindet, ist die „Muttergottes“ in ihrem universalen Aspekt ebenso wie unter ihrem besonderen Aspekt der Jungfrau Maria.

Sherrard folgert: „So ist die Muttergottes nicht nur das Fundament der Welt der Geschöpfe: sie ist auch selbst diese Welt. Während sie immer spirituell und oberhalb von Raum und Zeit bleibt, ist sie auch die Wurzel des Materiellen, Räumlichen und Zeitlichen. Sie ist nicht nur Natura naturans, sie ist auch Natura naturata. Sie ist Erde als einzelne immaterielle weibliche Gottheit und sie ist Erde als vielfältige materielle Realität. Sie ist selbst der Leib des kosmischen Christus, die geschaffene Matrix, in welcher der göttliche Logos ewig Fleisch wird. Sie ist die Brücke, die Gott mit der Welt, die Welt mit Gott verbindet, sie ist es auch, die der Welt ihren ewigen und sakralen Wert verleiht. Sie ist das Siegel der sakralen Identität der Welt.“[35]

Sherrard vergleicht die Zerstörung der natürlichen Umwelt mit der Entheiligung des Leibes der Jungfrau.

 

Es ist S.H. Nasr zu zustimmen, wenn er resümierend Sherrards Werk „eine der profundesten christlichen Antworten auf die Umweltkrise und die Zerstörung der christlichen Kosmologie..“ nennt. Und es ist ihm leider auch Recht zu geben, wenn er fortfährt: „Aber eben wegen seiner traditionellen Denkweise wird seine Botschaft nicht so weit gehört als diejenigen, die die Theologie den gerade herrschenden philosophischen oder wissenschaftlichen Grundsätzen unterwerfen.“[36]

[1] Nasr, S.H., Religion and the Order of Nature, New York: 1996, S.201

[2] The Eclipse of Man and Nature (=Eclipse). S.104

[3]  Eclipse, S. 23

[4] Human Image – World Image (=H.I.), S.19

[5] H.I., S.28

[6] H.I., S.28

[7] H.I., S.148 - 149

[8] H.I., S.149

[9] H.I., S.148

[10] H.I., S.131

[11] H.I., S.131

[12] H.I.,  S.152

[13] H.I,  S.150

[14] H.I., S.151

[15] H.I., S.151

[16] H.I.,  S.152

[17]H.I.,  S. 152

[18] The Sacred in Life and Art,  S. 157

[19] H.I., S.152

[20] H.I., S.153

[21] Christianity, Lineaments of a Sacred Tradition, 1998 (=Christianity), S.235

[22] Christianity, S. 235

[23] Christianity,  S.239

[24] H.I., S.155 (von mir aus dem Englischen rückübersetzt)

[25] Christianity, S.239

[26] Christianity, S.240

[27] Christianity, S.241

[28] Christianity, S. 241

[29] Christianity, S.242

[30] H.I.,  S.163

[31] H.I., S.165

[32] H.I.,  S.176

[33] H.I.,  S.176

[34] H.I.,  S.177

[35] H.I., S.181

[36] Nasr, S.H., Religion and the Order of Nature., S. 205