Im
vergangenen Jahr habe ich versucht, Ihnen einige Strukturen traditionaler
Kosmologie vor allem anhanden des Werkes von Seyyed Hossein Nasr
darzulegen, der seiner eigenen Aussage nach der Denkrichtung des
integralen Traditionalismus und der philosophia perennis angehört.
Philip
Sherrard, dessen Werk Ausgangspunkt unserer diesjährigen Denkversuche ist,
ist ein Geistesverwandter – Nasr schreibt über ihn: „...Sherrard
versuchte, eine christliche Sicht der Ordnung der Natur zu geben, deren
Annahme allein, wie er meint, die Katastrophe abwenden kann, die die
Umweltkrise mit sich bringen wird.“
Nasr und
Sherrard sind die einzigen Traditionalisten, die sich mit diesem Thema
ausführlich befaßt haben. Sie sehen es konsequenterweise als eine Frage
der Kosmologie als angewandter Metaphysik.
Sherrards
Biographie zeigt, daß er die Umsetzung seiner Ideen ins Leben immer mit
großer Konsequenz betrieb.
Philip
Sherrard wurde am 23. September 1922 in Oxford geboren. Sein Vater war
Landwirtschaftsökonom, seine Mutter mit Virginia Woolf befreundet und
Mitglied eines Kreises, der sich „die Neuheiden“ nannte.
Sherrard
wurde nicht getauft und wuchs vor allem auf dem Land auf. Er sprach von
seiner Kindheit innerhalb einer noch weitgehend nicht mechanisierten
Landwirtschaft immer mit Begeisterung und Nostalgie.
Ab 1940
studierte er in Cambridge und rückte 1942 zum Militär ein. Er wurde nach
Griechenland geschickt, das zu seiner spirituellen, später auch zu seiner
geographischen Wahlheimat wurde. Atypischerweise interessierte er sich
zunächst in erster Linie für neugriechische Lyrik des 18. – 20.
Jahrhundert, von der er einige Übersetzungen veröffentlichte.
Er heiratete
eine Griechin und wurde Vater zweier Töchter, die Ehe wurde aber bald
geschieden.
Die
wichtigste Begegnung war die mit der orthodoxen Kirche: er ließ sich 1956
– also als 34jähriger – taufen und wurde in die Orthodoxie aufgenommen.
Entscheidend
für ihn war, seiner eigenen Angabe nach, daß er den christlichen Glauben
hier in seiner wahren und vollständigen Form vorfand, aber auch, daß er
meinte, einer Kirche beizutreten, die eine organische und lebensspendende
Verbindung zwischen Mensch und Natur bewahrt hatte.
Sherrard
übte verschiedene akademische Tätigkeiten in Griechenland und England aus.
Er war Assistant Director der British School of Athens und 1970 – 1977
Lecturer für die Geschichte der Orthodoxie an der Universität London.
1959 konnte
er zu sehr günstigem Preis auf Euböa einige halbverfallene Häuser und Land
erwerben. 1977 kündigte er seine Tätigkeit an der Universität London und
ließ sich dauernd in Katounia als freiberuflicher Übersetzer und
Schriftsteller nieder – mit seiner zweiten Frau, einer Engländerin und
gleichfalls Konvertitin zur Orthodoxie. Sie ist Verlegerin, die ihren
Verlag aus Athen nach Katounia übersiedelte.
Philip und
Denise Sherrard lebten auf ihrer Insel in geradezu monastischer
Einfachheit: ohne Telefon und Elektrizität – geheizt wurde mit Holz. Sie
bauten – zum größten Teil eigenhändig – auf ihrem Grundstück eine
Kapelle.
Sherrard
starb ziemlich plötzlich an Krebs am 30. Mai 1995 und wurde auf seinem
Grundstück neben der Kapelle begraben.
Sein
umfangreiches Werk – nicht ins Deutsche übersetzt und nicht leicht
erhältlich – behandelt Themen der orthodoxen Theologie, im Besonderen den
Vergleich zwischen den westlichen und östlichen Traditionen innerhalb des
Christentums, der griechischen Geschichte und Literatur, den integralen
Traditionalismus und die philosophia perennis, die gegenwärtige
ökologische Krise und die Ausarbeitung einer genuin christlichen
Kosmologie, vor allem gestützt auf griechische Kirchenväter, und – in
engstem Zusammenhang damit – das Verhältnis zwischen den Geschlechtern und
die Rolle des Eros im Christentum.
Sherrards
Beziehung zum integralen Traditionalismus war differenziert: er war nie
Schüler Guénons oder Schuons.
Er meinte,
daß besonders in der Neuzeit die Dichtung stärker den Bezug zum Heiligen
und die Sakralität des Kosmos ausdrückt als Philosophie oder Theologie.
Hier stimmt Sherrard – sicher ohne die Autoren zu kennen – mit Heidegger
und Vonessen überein.
Sherrard
teilte mit den Traditionalisten die Sicht der inneren Einheit der
Religionen (Schuon) und gleichzeitig die der unabdingbaren Notwendigkeit
der Praxis einer konkreten Tradition: Allerdings ging sein Attachement an
die Orthodoxie noch weit darüber hinaus. Seine exoterische Ausrichtung
stimmte voll mit der esoterischen überein: Er vertrat in allen strittigen
Punkten zwischen der Orthodoxie und der westlichen Kirche überzeugt die
östliche Position.
Eine enge
Freundschaft verband ihn mit einem anderen englischen Konvertiten, dem
orthodoxen Bischof Kallistos Ware, mit dem gemeinsam er die „Philokalia“
ins Englische übersetzte. Bischof Ware schrieb das Vorwort zu einer
posthum erschienenen Sammlung von Aufsätzen Sherrards: „Christianity:
Lineaments of a Sacred Tradition“.
Es ist
bemerkenswert, daß Ware die zum Teil sehr kühnen, gnostischen
Formulierungen Sherrards durchwegs guthieß und es sehr begrüßte, daß
Sherrards Buch „Christianity and Eros“ in Neuauflage erschien.
Sherrard sah
konsequenterweise in der Aristotelisierung der Theologie der lateinischen
Kirche, die im 13. Jahrhundert erfolgte, also nach der Trennung von der
byzantinischen Kirche, den Beginn einer neuen Epoche innerhalb der
christlichen Welt.
Damals
wurden die platonischen Elemente, die Philosophie und Theologie früherer
Jahrhunderte zum Ausdruck eines Selbstverständnisses gedient hatten, das
in Gebet und Kontemplation bestätigt worden war, ersetzt durch
aristotelische Kategorien ausschließlich abstrakter und theoretischer
Natur.
Der
Dualismus Natur – Übernatur und das Postulat einer rein natürlichen
Erkenntnis bei Thomas von Aquin sind Vorläufer des cartesianischen
Dualismus und der Denkweise der neuzeitlichen Naturwissenschaft.
Das heißt,
Sherrard sieht in eben jenem Thomismus, den Papst Leo XIII. später für die
lateinische Kirche verbindlich vorschrieb, und der auch, in immer
verdünnterer Form, bis zum zweiten Vatikanischen Konzil als philosophische
Grundlage des Theologiestudiums gelehrt wurde, die Denkweise, die am
Verlust der sakralen Kosmologie, an der rein rationalistischen Betrachtung
des Menschen selbst und des Kosmos einen wesentlichen Anteil hat.
Wie wohl die
lateinische Patristik, von Augustinus bis ins zwölfte Jahrhundert, eine
ähnliche platonische Sicht der göttlichen Immanenz im Geschöpf, der
Teilhabe an der transzendenten Realität der Archetypen hatte – ist doch
von Anfang an ein charakteristischer Unterschied: Schon bei Augustinus ist
„...eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem Spirituellen und dem
Materiellen, dem Ungeschaffenen und dem Geschaffenen.“
Sherrards
Darlegung einer ursprünglich christlichen sakralen Kosmologie stützt sich
vor allem auf Justinus den Märtyrer, Origenes, Clemens Alexandrinus,
Gregor von Nyssa, Dionysius Areopagita und Maximus Confessor – im
Abendland sind seine Zeugen Johannes Scotus Eriugena, Meister Eckhart und
Ruysbroek.
Im
historischen Umfeld der frühen Kirche gab es teilweise Kosmolatrie, d.h.
Vergöttlichung bzw. Vergötzung der natürlichen und menschlichen Ordnungen,
was die apostolische Kirche zur Abgrenzung gegenüber allen Vorstellungen,
Gott in den Elementen, im Wasser, in der Quelle, in Steinen oder Bäumen zu
suchen, führte.
Der Weg zur
christlichen Kosmologie, zeigt Sherrard, liegt im vollen Erfassen der
Implikationen der zentralen christlichen Idee des Gottmenschentums vor dem
Hintergrund von Platons Verständnis über die Teilhabe des Bildes am
Archetyp (natürlich nicht im Sinne Jungs verstanden).
„Das Abbild
reflektiert nicht einfach den Archetyp auf einer niedrigeren Ebene – es
nimmt tatsächlich an der Realität des Archetyps teil.“
Das „Corpus
Hermeticum“ enthält neben Teilen, die einen kompletten Dualismus
ausdrücken, auch solche, die die Teilhabe der sinnlichen Welt an der
göttlichen noch stärker betonen als etwa Platons „Timaios“.
In einer von
Sherrard zitierten Passage ist im Corpus Hermeticum (CH) die Kraft der
erotischen Energien ausgesprochen, die als Ausdruck der göttlichen Energie
gesehen werden: „Die Verbindung der beiden Geschlechter oder ihre
Vereinigung in eins, die mit Recht Eros oder Aphrodite oder beides auf
einmal genannt wird, hat eine tiefere Bedeutung als der Mensch verstehen
kann. Es ist eine Wahrheit, die als sicher und offensichtlich über alle
anderen Wahrheiten akzeptiert werden muß, daß von Gott, dem Meister aller
Zeugungskraft, dieses Sakrament der Fortpflanzung für alle Geschöpfe
entworfen und allen Geschöpfen geschenkt worden ist – mit aller Zuneigung,
Freude, Sehnsucht und himmlischer Liebe, die in seinem Sein enthalten ist.
Und ich müßte von der Gewalt berichten, mit der dieses Sakrament Mann und
Frau zusammen bindet, könnte es nicht jeder von uns, wenn er seine
Gedanken auf sich selbst richtet, aus seinem innersten Fühlen lernen.“
Diesem Thema
der spirituellen Kraft von Eros und Sexualität, das im Christentum von
Anfang an (auch in der ostkirchlichen Tradition) zu kurz gekommen ist, hat
Sherrard ein eigenes Buch gewidmet.
Dem Problem
der christlichen Apologetik, wie der der Schöpfung absolut transzendente
Gott auch in ihr präsent sein kann – entspricht in platonischer
Terminologie die Erklärung der Beziehung zwischen Sein und Werden, die
nicht zur Ausschließung des Seins aus der Welt des Werdens führt.
Gott schafft
die Welt in und durch seinen Logos. Christus, der inkarnierte Logos hat
die Rolle des kosmischen Vermittlers: Er vermittelt zwischen dem
immateriellen, transzendenten Sein Gottes und der Welt materieller
Wirklichkeiten – der Welt der Natur – und in seiner göttlich-menschlichen
Person vereinigt er beide: „In gewisser Hinsicht ist die Rolle Christi der
Rolle der Weltseele im platonischen Denken ähnlich.“
Der Logos
ist der erste Ausdruck der Möglichkeiten, die in den Tiefen von Gottes
Sein liegen und enthält in sich „...in unsichtbarer Weise ... die
Archetypen aller geschaffenen Existenzen.“
„Die inneren
Beziehungen zwischen Göttlichkeit und Menschlichkeit in Christus sind also
dieselben wie die zwischen Gott und der Welt... Das christologische
Problem – welches auch das anthropologische Problem ist, ist verflochten
mit und untrennbar vom trinitarischen Problem und, wenn wir sie
auseinanderreißen, enden wir „...bei der Art systematisch – analytischen
Sicht des Christentums, die die mittelalterliche Scholastik
charakterisiert oder bei der Art von desinkarnierter Kosmologie, die die
Sicht der Natur von Gregorios Palamas kennzeichnet, die die deprimierende
Vorstellung wiederholt, alle nicht menschlichen Phänomene seien seelenlos
oder irrational.“
Wenn man es
verabsäumt, die Schöpfung mit der Inkarnation in Zusammenhang zu bringen
und beide mit der Trinität zu verbinden, bedeutet dies, „...das Mysterium
der Schöpfung in seinem Herzen zu verstümmeln und das heißt gleichzeitig,
das Mysterium unseres eigenen Lebens in seinem Herzen zu verstümmeln.“
Wir sind in das Zentrum der Betrachtungen Sherrards gekommen.
Er nennt die
christliche Sicht auf die untrennbare Verbundenheit der Mysterien, wie sie
von den genannten griechischen und syrischen Kirchenvätern entwickelt
wurde, „theoanthropokosmische Vision.“
Wo diese
Sicht verblaßt, hat es Schizophrenie in Anthropologie und Kosmologie zur
Folge, die Sherrard nicht nur in der Scholastik und dem auf sie folgenden
neuzeitlichen Rationalismus und Irrationalismus sieht, sondern auch im
späteren byzantinischen Denken.
Der Verlust
dieser theoanthropokosmischen Vision wird offensichtlich im Verlust der
kosmischen Bedeutung der Inkarnation. Denn diese Bedeutung hat zur
Voraussetzung „...daß der Logos die Erscheinung und Materialisierung im
Kosmos als Ganzem in Mensch und Natur immer schon weiß und fortfährt zu
wissen – unabhängig von der historischen und individuellen Erscheinung des
Gottessohnes in Jesus von Nazareth –... Das historische Erscheinen Christi
ist nur eine Form der Verkörperung, das Universum der Materie ist eine
andere Form und in dieser Form zeigt der kosmische Christus von Anfang an
und immer Bilder Gottes in der Natur, denn die Natur ist der Leib Gottes.
Die Lehre
vom Gottmenschen ... bezieht sich daher nicht einfach auf die historische
Inkarnation des Gottmenschen selbst, sie bezieht sich auch und
gleichermaßen auf die theandrische Vereinigung zwischen Gott und der
ganzen geschaffenen Welt, durch den Menschen und im Menschen.
Das
kosmogonische Problem ist verbunden mit dem Problem der Zeugung des Logos
–Schöpfung, ist eine einzige Handlung, die von Seiten Gottes, um es so
auszudrücken, zur Gänze oberhalb der Zeit ist, denn sie gehört zur ewigen
Handlung der Zeugung des Logos – einige der Wirkungen dieser ewigen
Handlung der Zeugung werden offenkundig in zeitlicher und räumlicher Form
und diese Wirkungen stellen dann das dar, was wir Schöpfung nennen. Diese
zwei Aspekte einer göttlichen Handlung – der zeugende und der
kosmogonische sind deutlich unterschieden, da der zweite vom ersten
abhängig ist und nicht vice versa – aber sie sind auch verbunden und
untrennbar.“
Der letzte
Satz widerlegt den Pantheismus-Vorwurf, der seit Jahrhunderten jede
gnostische Betrachtung der Beziehung Schöpfer – Geschöpf verketzert.
Das Wissen
von dieser kosmischen Bedeutung der Inkarnation entschwand, sie wurde bald
ausschließlich mit der historischen Erscheinung des Gottessohnes in
Bethlehem identifiziert und dabei ist es, was die Kirchenlehre betrifft,
auch geblieben.
Die
Kosmologie wurde getrennt von der Trinitätslehre und Christologie gesehen,
was dazu führen mußte, Gott als vom Menschen und der Welt unüberbrückbar
geschieden zu sehen – der Dualismus durchzieht das Christentum auf allen
Ebenen.
Im 15.- 16.
Jahrhundert spitzt es sich auf eine Position des Entweder – Oder zu: Gott
oder die Welt.
Der
Protestantismus kommt in einer Radikalisierung augustinischer Ansätze zum
Akosmismus, im Katholizismus gibt es Strömungen von asketischem
Anti-Kosmismus, dem der sakrale Sinn der Schönheit verschlossen ist.
Andererseits
bot dieses von christlicher Philosophie und Theologie geförderte
kosmologische Vakuum die Gelegenheit für das Aufkommen nicht-christlicher
und schließlich ganz profaner Sichtweisen, die zum Sieg der neuzeitlichen
Naturwissenschaften unter dem Aspekt einer immer mehr die Weltherrschaft
antretenden Technik führte.
Auch
diesbezüglich ist Sherrards Position, verglichen mit der anderer
Traditionalisten, die extremste: er besteht darauf, daß der Gegensatz
zwischen der christlichen (und jeder religiösen) Sicht der Ordnung der
Natur und dem naturwissenschaftlichen Verständnis dieser Ordnung
unüberbrückbar ist, weil „...die metaphysischen Voraussetzungen, auf denen
diese Weltsicht aufgebaut ist,...gänzlich unspirituell sind“
Das
bedeutet, daß„...eine Neubelebung eines spirituellen Verständnisses der
körperlichen Welt nur unter der Bedingung kommen kann, daß diese
Voraussetzungen verworfen und durch jene ersetzt werden, die den
Kosmologien der großen sakralen Religionen eigen sind.“
Neben den
zwei Wegen eines christlichen Akosmismus und Antikosmismus und einer
desakralisierten Naturwissenschaft, die zur technischen Beherrschung der
Natur führt, blieb immer, was Sherrard die „...andere Denkweise Europas“
nennt – die das Wissen bewahrte, daß die sichtbaren Phänomene göttliche
Erscheinungen oder Signaturen spiritueller Realität sind. Die Alchemie ist
Ausdruck einer dieser Strömungen.
Sherrard hat
viel Verständnis für die Reaktion in der Renaissance gegen die immer
defizienter gewordene scholastische Kosmologie: nicht nur für den
christlichen Platonisten Marsilio Ficino sondern selbst für Georgios
Gemisthos Plethon, der eine Art synkretistischer Neufassung des
Polytheismus der altgriechischen Religion auf platonischer Grundlage als
Alternative zum Christentum entwirft – in dieser Hinsicht Vorläufer
Hölderlins, Goethes, Heideggers, Walter F. Ottos und – mit
charakteristischen Unterschieden – auch Evolas.
Diese Linie
der Bewahrung des kosmischen Wissens, die auf die Antike ausgerichtet war
und sich mehr oder weniger deutlich vom Christentum abwendete, wird
ergänzt durch eine mehr durch christlichen Platonismus, oft auch
christliche Kabbala, gekennzeichnete Linie – in der man Paracelsus, Robert
Fludd, die Cambridge Platoniker, Jakob Böhme, Swedenborg, Baader, Novalis
und William Blake sehen könnte.
Ihnen allen
ist gemeinsam eine mehr oder weniger große Entfernung vom
institutionalisierten Christentum und von der Schulphilosophie.
Der
Dualismus wird für die christliche Philosophie und Theologie
selbstverständlich: „Gott und die Schöpfung – und entsprechend die Ordnung
der Erlösung und die Ordnung der Natur – werden als unreduzierbar
verschieden angesehen.“
In der Sicht
dieses Dualismus schafft Gott die Welt gleichsam als etwas außerhalb
seiner selbst. Damit wird auch die Begegnung zwischen Gott und Mensch eine
Begegnung zwischen menschlichem Individuum und einem gänzlich
unzugänglichen transzendenten Gott (paradigmatisch etwa in der
dialektischen Theologie Karl Barths). Dies führt wieder zu einer Entweder
– Oder – Position: entweder werden die Dinge gesehen ohne Wahrnehmung
ihrer transzendenten Dimension oder die Transzendenz wird von den Dingen
getrennt, durch die allein sie manifestiert wird.
„Wir trennen
Religion von Ästhetik, wir trennen die Erfahrung des Göttlichen von der
Erfahrung der ursprünglichen und ewigen Schönheit sinnlich wahrnehmbarer
Gegenstände.“
Deutliches
Indiz dafür ist das Zunehmen des Monströsen, Monumental-Kalten und ebenso
des Sentimental- Kitschigen in der abendländischen Kunst seit der
Renaissance.
Sherrard
meint, daß die Lehre von der Schöpfung auf der Einsicht begründet werden
muß, daß „..Gott nicht nur der Schöpfer der Welt ist, sondern daß er in
gewisser Hinsicht auch das ist, was er schafft.“
Die
Vorstellung der Schöpfung als eines zweitrangigen Seienden, das von Gott
getrennt existiert, muss als falsche Lehre verworfen werden.
Gestützt auf
biblische Aussagen wie Apg. 17.28: „Denn in ihm leben wir und bewegen uns
und sind wir ... wir sind selbst seines Geschlechts,“ oder Röm.11,38:
„Denn von ihm und durch ihn und in ihm ist alles“ und in Übereinstimmung
mit den oben angeführten Kirchenvätern postuliert Sherrard:
„Die
Schöpfung findet innerhalb Gottes statt, nicht außerhalb Gottes...“
In dieser
Idee von Gott, der das Universum innerhalb seiner selbst schafft, ist
keine Trennung zwischen Gott und Geschöpf, die zu einer unüberbrückbaren
Kluft führen könnte.
„Die
Schöpfung ist nichts weniger als das Erscheinen von Gottes verborgenem
Sein – die andere Welt ist diese Welt – diese Welt ist die
andere Welt. Wenn das Reich Gottes auf die Erde kommen kann, dann
deswegen, weil im Wesen die Erde das Reich Gottes ist.“
Daraus folgt
aber auch, daß das Schicksal des Geschöpfes Mensch von dem des Geschöpfes
Natur nicht zu trennen ist: „Innere Welten sind äußere Welten, äußere
Welten sind innere Welten.“
Bei der
Realität dieser göttlichen Gegenwart in jeder körperlichen Form müsste die
einzige Wissenschaft von der Natur, die laut Sherrard diesen Namen
verdiente, ansetzen: „Sie vermittelt das Wissen, warum das Öffnen einer
Blüte eine Form der göttlichen Auferstehung ist.“
In dieser
Perspektive ist die sinnlich wahrnehmbare Welt das Bild, die Ikone der
himmlischen Welt, in der jedes einzelne seine Bedeutung hat im Licht des
Ganzen: „Aus diesem Zusammenhang etwas zu abstrahieren und es so zu
behandeln, als existiere es unabhängig von seinem Zusammenhang, bedeutet
es in seinen Wurzeln zu ermorden, wenn nicht in Taten so in Gedanken.“
Eben das geschieht in den modernen Naturwissenschaften und auch in der
vorhergegangenen christlichen Sicht der Natur, die auf einem Dualismus
aufbaut, der Gott von seiner Schöpfung trennt, die als verschiedene
Ordnung der Realität betrachtet wird.
Zwei der
Haupthindernisse, diese dualistische Sicht der wesentlichsten Probleme
innerhalb des christlichen Denkens zu überwinden, sind die Vorstellung von
der Gefahr des Pantheismus und die aus ihr entstandene Position von der
creatio ex nihilo.
Sherrard
geht davon aus, daß die dualistische Kosmologie eine fast pathologische
Angst vor dem widerspiegelt, was die Theologie Idolatrie oder Pantheismus
nennt – die Leugnung jeder Verbindung zwischen Gott und seiner Schöpfung
soll davor retten.
Wenn die
Idee, daß Gott die Welt innerhalb seiner selbst schafft, radikal
ausgeschlossen ist, muß er die Welt außerhalb seiner selbst schaffen. Aber
das gibt Probleme: Wenn man annimmt, daß Gott die Welt aus einem Seienden
außerhalb seiner schafft, würde das bedeuten, daß es seit aller Ewigkeit
eine von Gott unterschiedene und unabhängige Substanz gibt – das hieße
aber, daß Gott nicht unendlich ist – eine noch schlimmere Häresie als der
Pantheismus.
Aus diesem
Dilemma entstand die Konzeption der creatio ex nihilo, die einen Ausweg zu
bieten scheint: Sie wehrt den Pantheismus ab: wenn Gott die Welt aus dem
Nichts geschaffen hat, ist jede Vorstellung einer übernatürlichen
Verwandtschaft zwischen Gott und der Welt ausgeschlossen. Gleichzeitig
kann man auch dem radikalen Dualismus entkommen: denn so meint man, dieses
Nichts besitzt keine substantielle Existenz und kann daher nicht als von
Gott unabhängige Realität angesprochen werden, die Gottes Unendlichkeit
begrenzte.
Die
Herrschaft, die die Vorstellung der creatio ex nihilo über das christliche
Bewußtsein (nicht nur der westlichen, auch der östlichen Christenheit, wie
Sherrard zugeben muß.) ergriffen hat, hat die Theorie der doppelten
Ordnung der Wahrheit und damit die Desakralisierung der geschaffenen Welt
ermöglicht. „Aus diesem Gesichtspunkt kann konsequenterweise kategorisch
versichert werden, daß die Vorstellung der creatio ex nihilo an der Wurzel
unserer ökologischen Krise liegt.“
Aus der
Tatsache, daß diese Theorie von den Autoritäten der Kirche ohne Einwand
akzeptiert wurde, folgt „...eine direkte Verantwortung für die
Entsakralisierung des Kosmos. Es ist absolut kein Zufall, daß eine rein
materialistische Sicht der Natur nicht zuerst innerhalb der
hinduistischen, buddhistischen oder islamischen Welt entstand, sondern
innerhalb der christlichen.“
Es ist auch
weiters kein Zufall, daß die offiziellen Stellungnahmen der Kirchen –
aller Kirchen – gegenüber der ökologischen Krise, nach Sherrards Aussage,
„kläglich“ waren.
Nun zum
philosophischen Gehalt der creatio ex nihilo: Wenn Gott die Welt aus dem
Nichts geschaffen hat, bedeutet dies, daß vor der Schöpfung absolut nichts
existiert hat? Ist die Antwort affirmativ in dem Sinne, daß Nichts
existiert hat, dann wird dieses Nichts hypostasiert und zu einer Art
von Etwas und der Grund der Schöpfung liegt in einem Dualismus zwischen
Gott und Nicht-Gott – also einem radikalen Dualismus, wie dem, der
vermieden werden sollte.
Sagt man
aber andererseits, daß dieses Nichts nicht vor der Schöpfung existiert
hat, so führt dies in eine völlige Absurdität: Wie kann man eine Beziehung
knüpfen, bevor so etwas wie Beziehung überhaupt vorhanden ist?
Weiters
drückt der Ausdruck „vor“ in der Formulierung „vor der Schöpfung“ grob
falsches Denken aus: Er setzt eine zeitliche Dimension voraus. Aber Zeit
gibt es ausschließlich in der geschaffenen Welt und aus ihrer Perspektive
– bei Gott gibt es nur die Ewigkeit.
Der Ausdruck
„nihil“ im Sinne dieser Interpretation entspricht keiner Realität, sondern
er ist ein hypothetisches menschliches Gedankenkonstrukt.
Dieses
Gedankenkonstrukt war aber folgenschwer: Weder kann Gott innerlich präsent
sein in dem, was außerhalb seiner selbst ist, noch kann das, was außerhalb
Gottes ist, an Gott teilhaben.
Eine solche
Gegenwart und Teilhabe kann vielmehr nur dadurch erfolgen, daß durch eine
sakramentale Handlung, in der durch den Menschen, der – auf Grund des
christologischen Dogmas – die einzige Verbindung zwischen Gott und Natur
darstellt, das, was zur Welt der Natur gehört, aus seinem natürlichen
Zustand gehoben und durch das Eingreifen der Gnade verwandelt wird.
Diese Sicht,
in der die Natur von Menschen abhängig ist, um aus ihrem gottlosen,
ungeheiligten Zustand gerettet zu werden, mußte aus dem Menschen den
Ausbeuter der Natur machen und noch dazu einen Ausbeuter mit gutem
Gewissen, da ja sein Eingreifen in die Natur die einzige Möglichkeit ist,
ihren gottlosen Zustand zu transzendieren.
Aber diese
Kosmologie ist nicht die einzige, die die christliche Tradition zu bieten
hat, sondern, nach Sherrard, ein fundamentales folgenschweres
Mißverständnis.
Der
bedeutende griechische Kirchenlehrer und Heilige Gregor von Nyssa,
Dionysius Areopagita, der noch von Thomas von Aquin meist zitierte
Kirchenvater und Johannes Scotus Eriugena interpretierten die „creatio ex
nihilo“ anders.
In dieser
Interpretation bezeichnet der Begriff „nihil“ weder einen hypostasierten
Nicht-Gott noch eine gänzlich negative Kategorie: Er bezeichnet vielmehr
„die Abwesenheit von Raum, Zeit und Materie oder alles Ausgedehnten in
Raum und Zeit – die Abwesenheit alles, um es so zu sagen, das ein Ding
genannt werden kann. Er bezeichnet ein Reich der göttlichen Innerlichkeit,
in welchem kein Ding ist... In so weit wir es ausdrücken können, „...der
unermessliche, vom Verständnis nicht auslotbare Grund von Gottes
ungeschaffenen Energien und Möglichkeiten, das vorontologische Nichts, aus
dem alle Dinge hervorgehen...nicht etwas, das außerhalb ... sondern etwas,
das innerhalb Gottes ist.“
Als Anhänger
des integralen Traditionalismus erkennt man hier sofort das Non–Être, das
Nicht-Sein Guénons und des Vedanta wieder.
Gregor von
Nyssa identifiziert das Nihil, aus dem die Welt geschaffen wird, mit Gott
selbst in seinem überexistentiellen Sein.
Jacob Boehme
sah es so: „Gott schafft die Welt aus Nichts, weil er selbst im Nichts
wohnt – das heißt, er wohnt in ihm selbst.“
Die
Kosmologie auf Grund dieser Interpretation des „nihil“ sieht ganz anders
aus: Schöpfung aus dem Nichts bedeutet Schöpfung aus dem Grund der
Gottheit. Es ist sinnlos, von dem zu sprechen, was vor der Schöpfung
gewesen wäre und gleicherweise sinnlos, von einem Anfang der Welt in der
Zeit oder einem zeitlichen Anfang zu sprechen. Die Zeit hat keine Existenz
unabhängig von der Existenz der Welt.
„Die Welt
hat einen Anfang, aber in einem ganz unzeitlichen Sinn: Ihr Anfang oder
Ursprung liegt in Gottes transzendentaler kreativer Kraft.“
Gott schafft
die Welt nicht außerhalb, sondern innerhalb seiner selbst. Der
ursprünglichste Akt der Schöpfung ist die Differenzierung der Formen
aller Dinge aus dem undifferenzierten, nicht erkennbaren Grund der
Gottheit – dem nihil.
„Die
Schöpfung ist Theophanie, Differenzierung durch anwachsendes Aufleuchten
von innen. Es ist ein Prozeß durch den Gott sich selbst für sich selbst
offenbart. Es ist ein Akt der Selbstoffenbarung, durch die Gott nicht nur
sich selbst in den geschaffenen Dingen kennt, sondern erkannt wird von
ihnen ... unsere Kenntnis von Gott ist auch Gottes Kenntnis von sich
selbst, oder in und durch uns wird sich Gott seiner selbst bewußt.“
Natur – die
geschaffene Welt – ist eine Art von Offenbarung Gottes zum Menschen, die
ihm das Mysterium der Einheit in der Vielheit der Dinge mitteilt. „Die
Welt der Phänomene ist die theophane Welt. Diese Welt ist jene
Welt. Die ganze Natur, von Anfang bis Ende, stellt eine einzige Ikone
Gottes dar. ...Gott ist aktiv in der Natur und die Natur in Gott von
Ewigkeit durch alle Zeit hindurch in Ewigkeit. Der Kosmos ist das andere
Selbst des Absoluten.“
Bedeutet
dies etwa doch, daß wir in eine Form der Idolatrie und des Pantheismus
geraten sind? Zunächst ist Pantheismus nicht gleich Idolatrie. Die
Anbetung Gottes in der und durch die Natur ist weit entfernt von Idolatrie.
„Wenn ich Gott in Form einer Blume anbete,.. begehe ich keinen Akt der
Idolatrie, solange ich mich erinnere, daß Gott, wenn er eine Blume ist...
er auch keine Blume ist.“
Paradoxerweise sind diejenigen, die den Pantheismus verwerfen, in größerer
Gefahr als Götzenanbeter zu enden als erklärte Pantheisten im definierten
Sinn.
Wenn ich
verstehe, daß nicht die Natur Gott, sondern Gott die Natur ist, ist keine
Gefahr, die Natur mehr zu verehren als Gott. Diese Gefahr besteht hingegen
sehr wohl, wenn ich das nicht verstehe, denn dann kann ich Natur oder
Schöpfung gegen Gott aufstellen, als etwas anderes als Gott und kann sie
unabhängig von Gott oder anstelle Gottes verehren.
„Die
Unterscheidung zwischen beiden Begriffen bleibt bestehen: der Schöpfer ist
das, was er schafft, aber die Schöpfung ist nicht der Schöpfer.“
Die
Tatsache, daß Gott in allen Dingen gegenwärtig ist infolge ihres
Geschaffenseins und daß es daher nicht wie bei der negativistischen
Interpretation des nihil einer speziellen menschlichen Aktivität bedarf,
um ihnen die göttliche Gnade mitzuteilen, heißt nicht, daß der Mensch
keine priesterliche Rolle als Mittler zwischen Gott und Schöpfung hat.
Sakramentale
Aktivität kann oft nötig sein, um die göttliche Gegenwart von einem
latenten in einen aktualisierten Zustand zu bringen.
Prototyp
einer solchen sakramentalen Aktivität stellt die Eucharistie dar. In ihr
wird offenbar, daß auch die Schöpfung eine vermittelnde Rolle zwischen
Gott und den Menschen hat; denn es ist mittels der geschaffenen Elemente
von Wein und Brot, daß der Mensch mit Gott in der Eucharistiefeier
kommuniziert. Sherrard betrachtet die Schöpfung als Ausdehnung des
göttlichen Lebens. Gott ist der höchste Liebende und kann nicht nicht
lieben. Gott macht sich für sich selbst sichtbar und gleichzeitig macht er
sich sichtbar für uns. Die Schöpfung geht – aus menschlicher Sicht – in
drei Etappen vor sich. Erstens offenbart Gott sich für sich selbst, indem
er sich die verborgenen Möglichkeiten seines eigenen Seins bewußt macht.
Zweitens wird dieser formlose Inhalt der göttlichen Intelligenz oder des
göttlichen Logos – immer noch in immateriellem Zustand – in individuelle
Formen differenziert. Dies sind die ungeschaffenen spirituellen Energien,
göttlichen Ideen oder Logoi (Maximus Confessor). Sie sind die
Bild-Archetypen, die zwischen der Welt reiner formloser und intelligibler
Realitäten und der sichtbaren Welt vermitteln. Drittens geschieht das
Erscheinen dieser Bildarchetypen in den konkreten Seienden dieser Welt.
Jedes Existierende ist die sichtbare Form eines göttlichen Namens.
Der Heilige
Geist wandelt den abstrakten Intelligenz–Inhalt des Logos in eine Welt,
die vibriert mit den Leben Gottes. Durch das „fiat“ in Gott, in seiner
Ausführung durch den Heiligen Geist, wird das Leben der Wahrheit der
himmlischen Bild-Archetypen teilhaftig. Durch diese wird diese Welt selbst
eine göttliche Erscheinung.
„So wie
diese Bild-Archetypen der persönlich seiende Gott sind – eingewurzelt im
persönlich dreieinigen Gott – so ist die geschaffene Welt auch der
persönlich lebendige Gott, eingewurzelt in derselben Gottheit.“
Der Logos
ist nicht nur im historischen Jesus inkarniert, sondern auch im Kosmos.
Der Logos
wird Fleisch (), aber dieses ist nicht nur das Fleisch des
menschlichen Leibes, sondern das jeder Materie.
Maximus
Confessor zitierend, erklärt Sherrard: „So wie die ganze Schöpfung
ontologisch in der Welt der Bildarchetypen begründet und deren Erscheinung
ist, so ist die gesamte Schöpfung der Leib Christi, die Inkarnation des
Logos.“
So sind die
Inkarnation, Trinität und Schöpfung verbunden und die Natur wird gesehen
im Licht des christlichen Verständnisses der Realität.
Die
lebendigen Bildarchetypen sind Selbstausdruck des göttlichen Logos:
„...die geboren werden durch die Vermittlung des Heiligen Geistes. Durch
dieses Handeln erhält Gott seine Herrschaft und wird - eigentlich
gesprochen – Gott.“
Diese Geburt
der Bildarchetypen in Gott ist eine Handlung der inneren
Hierarchisierung, und das Mittel, wodurch diese Geburt sich ereignet, ist
das weibliche Prinzip im Göttlichen – das Gefäß, in welchem die
Bildarchetypen Gestalt und Leib erhalten, obwohl immer noch in einem
immateriellen Zustand. Dieses Weibliche im Göttlichen „...enthüllt in der
Durchsichtigkeit und Schönheit der lebendigen Formen das Sein, durch
welches es selbst enthüllt wird. In dieser Weise stellt es die Beziehung
her, auf Grund derer Gott Gott wird. In dieser Weise gebiert es Gott.“
Und dies ist, nach Sherrard, das Geheimnis des Namens Gottesmutter (Theotokos),
der der Jungfrau Maria gegeben ist.
Die
Theotokos, identifiziert mit der jungfräulichen Mutter ist die ewige
Sophia (Sophia aeterna) und die universelle Natur (natura naturans),
„...in welcher alle Formen der Seienden blühen...von dem höchsten Erzengel
bis zu den elementarsten materiellen Organismen.“
Auf der
höchsten Ebene ist das weibliche Prinzip das nihil oder das Nicht-Sein
selbst. Es enthält in sich die Welt der Bildarchetypen, die sichtbaren und
die unsichtbaren Aspekte der Dinge. Gott gibt das Sein, während das
weibliche Prinzip Gestalt und Leib gibt und über dem Prozess der Schöpfung
residiert.
Sie schafft
nicht direkt, aber vermittelt zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen.
Durch das
theandrische Mysterium wird die sakramentale Realität der geschaffenen
Welt vollendet und das Wesen, durch welches diese Vollendung stattfindet,
ist die „Muttergottes“ in ihrem universalen Aspekt ebenso wie unter ihrem
besonderen Aspekt der Jungfrau Maria.
Sherrard
folgert: „So ist die Muttergottes nicht nur das Fundament der Welt der
Geschöpfe: sie ist auch selbst diese Welt. Während sie immer spirituell
und oberhalb von Raum und Zeit bleibt, ist sie auch die Wurzel des
Materiellen, Räumlichen und Zeitlichen. Sie ist nicht nur Natura naturans,
sie ist auch Natura naturata. Sie ist Erde als einzelne immaterielle
weibliche Gottheit und sie ist Erde als vielfältige materielle Realität.
Sie ist selbst der Leib des kosmischen Christus, die geschaffene Matrix,
in welcher der göttliche Logos ewig Fleisch wird. Sie ist die Brücke, die
Gott mit der Welt, die Welt mit Gott verbindet, sie ist es auch, die der
Welt ihren ewigen und sakralen Wert verleiht. Sie ist das Siegel der
sakralen Identität der Welt.“
Sherrard
vergleicht die Zerstörung der natürlichen Umwelt mit der Entheiligung des
Leibes der Jungfrau.
Es ist S.H.
Nasr zu zustimmen, wenn er resümierend Sherrards Werk „eine der
profundesten christlichen Antworten auf die Umweltkrise und die Zerstörung
der christlichen Kosmologie..“ nennt. Und es ist ihm leider auch Recht zu
geben, wenn er fortfährt: „Aber eben wegen seiner traditionellen Denkweise
wird seine Botschaft nicht so weit gehört als diejenigen, die die
Theologie den gerade herrschenden philosophischen oder wissenschaftlichen
Grundsätzen unterwerfen.“